Veräußerungsgewinn: Wenn das Finanzamt einen nicht beantragten Freibetrag berücksichtigt
13.03.2025
Wer seine Praxis verkauft oder aufgibt, kann einen Freibetrag beantragen, der allerdings nur einmal im Leben gewährt wird. Zusätzlich muss das 55. Lebensjahr vollendet worden oder dauernde Berufsunfähigkeit eingetreten sein. Sind alle Voraussetzungen erfüllt, ist der Freibetrag von maximal 45.000 € zu gewähren. Er wird aber bis auf 0 € gekürzt, soweit der Veräußerungsgewinn 136.000 € übersteigt. Das Finanzgericht Köln (FG) hat geklärt, ob der Freibetrag schon als verbraucht gilt, wenn ihn das Finanzamt ohne Antrag gewährt hat.
Am 31.12.2019 hatte der Kläger seine freiberufliche Tätigkeit beendet und einen Aufgabegewinn erzielt. Hierfür beantragte er den Freibetrag für Veräußerungsgewinne. Dessen Gewährung lehnte das Finanzamt ab, weil der Freibetrag bereits 2011 in Anspruch genommen worden sei. Der Kläger hatte im Jahr 2011 eine Beteiligung veräußert. Im Berechnungsteil des Bescheids für das Jahr 2011 wurde der damalige Veräußerungsgewinn mit dem Hinweis „ab steuerfrei bleibende Veräußerungsgewinne“ reduziert. Auf die tatsächliche Berücksichtigung des Freibetrags wurde weder im Erläuterungstext des Bescheids noch in der Anlage hingewiesen.
Den Einspruch gegen den Bescheid für 2019 lehnte das Finanzamt ab. Auch wenn der Kläger den Freibetrag damals nicht beantragt habe, habe sich dessen Gewährung steuerlich ausgewirkt. Einen Einspruch dagegen habe der Kläger nicht eingelegt.
Die Klage vor dem FG hatte Erfolg. Das Finanzamt hat dem Kläger den Verbrauch des Freibetrags aus dem Jahr 2011 zu Unrecht entgegengehalten, denn er musste diesen rechtswidrigen Verbrauch nicht erkennen. Der Freibetrag gilt mit seiner Gewährung als verbraucht, und zwar auch dann, wenn er ohne Antrag gewährt wurde. Die Erkennbarkeit des Verbrauchs des Freibetrags setzt jedoch einen Hinweis im Erläuterungstext des Bescheids voraus. Die Berücksichtigung des Freibetrags war im Streitfall weder zu erkennen noch vom Kläger beantragt. Aufgrund der geringen Auswirkung des Freibetrags im Jahr 2011 und mangels eines Hinweises im Bescheid war dessen Verwendung nicht sichtbar.